Botschaft betreffend das Wiener Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf

Fortsetzung 25

232.32 Rechtsgewährleistung

a.Im allgemeinen

Rechtsgewährleistung dient zum Schutz des Käufers für den Fall, dass ein Dritter ihm die gekaufte Sache abstreitet oder doch ein subjektives Recht daran geltend macht, welches eine Schmälerung des Eigentums darstellt. Damit die Haftung des Verkäufers aus Rechtsgewährleistung eintritt, müssen die von Dritten nach schweizerischem Recht geltend gemachten Rechte bereits zur Zeit des Vertragsabschlusses bestanden haben; der Dritte muss sein Recht geltend gemacht, der Käufer sich ihm gegenüber verteidigt haben. Nach dem Wortlaut von Artikel 192 Absatz 2 OR wird der Verkäufer von seiner Haftung nur dann befreit, wenn der Käufer die Gefahr der Entwehrung zur Zeit des Vertragsabschlusses kannte. Ob die Haftung des Verkäufers auch dann wegfallt, wenn der Käufer unter den gegebenen Umständen die Entwehrungsgefahr hätte kennen müssen, ist damit nicht beantwortet. Einigen Auffassungen zufolge führt die ideologische Auslegung von Artikel 192 Absatz 2 OR zum Schluss, dass der Käufer zwar seinen Rechtsgewährleistungsanspruch verliert, wenn er die Entwehrungsgefahr hätte kennen müssen, dass dieser Fall angesichts der Aufklärungspflicht des Verkäufers allerdings nur dann eintreten kann, wenn sich der Käufer arglistig der Kenntnisnahme des Rechtsmangels entzogen hat (vgl. Giger H., a.a.O., N 54 zu Art. 192 OR).

Nach schweizerischem Recht besteht im weiteren für den Käufer die Obliegenheit, im Streitfall mit dem Drittansprecher dem Verkäufer den Streit zu verkünden (vgl. die Art. 193 und 194 OR) Das OR nennt sodann unterschiedliche Rechtsfolgen, je nachdem, ob es sich um vollständige oder teilweise Entwehrung handelt (Art. 195 und 196 OR).

Das Wiener Übereinkommen sieht für die Rechtsgewährleistung zwei Bestimmungen vor, eine für Rechtsmängel (Art. 41), die andere für die Beeinträchtigung durch gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte (Art. 42). In beiden Fällen wird eine Rechtsgewährleistung nur vorliegen, wenn der Mangel beziehungsweise die Beeinträchtigung bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestanden hat. Gleich wie im OR setzt die Haftung des Verkäufers auch hier voraus, dass der Dritte das Recht geltend gemacht hat. Wieweit im Streitfall die Verteidigung dem Käufer oder dem Verkäufer obliegt, lässt sich dem Übereinkommen nicht entnehmen. Für diese Frage wird man wohl auf das nationale Recht zurückgreifen müssen.

b. Rechtsmängel

Nach Artikel 41 hat der Verkäufer Ware zu liefern, die frei ist von Rechten oder Ansprüchen Dritter, es sei denn, der Käufer habe eingewilligt, die mit einem derartigen Anspruch belastete Ware anzunehmen. Kenntnis des Käufers oder, noch weitergehend. Kennenmüssen des Rechtsmangels dürften somit im Gegensatz zum OR nicht ausreichen, um die Haftung des Verkäufers auszuschliessen. (S. 795) Allerdings wird man im Einzelfall überprüfen müssen, ob in der Entgegennahme der Ware nicht eine stillschweigende nachträgliche Einwilligung des Käufers zum Rechtsmangel vorliegt.

c. Beeinträchtigung durch gewerbliche Schutz- oder Urheberrechte

Bei Rechten und Ansprüchen, die auf gewerblichem oder anderem geistigem Eigentum beruhen, ist die Haftung des Verkäufers in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt.. Zum einen haftet er nur insoweit, als er bei Vertragsabschluss das Bestehen solcher Rechte oder Ansprüche gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt hat; zum anderen haftet er nur insofern, als solche Rechte nach dem Recht des Staates, in dem die Ware verwendet werden soll, oder nach dem Recht des Käuferstaates bestehen (An. 42 Abs. 1 Bst. a und b). Diese letzte Einschränkung ist im internationalen Verkehr gerechtfertigt, da dem Verkäufer nicht zugemutet werden kann, die Urheberrechte aller Staaten zu prüfen.

Im weiteren fällt die Haftung des Verkäufers weg, wenn der Käufer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Recht oder den Anspruch kannte oder hatte kennen müssen (Art.42 Abs.2 Bst. a) Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe b behandelt den Sonderfall, in welchem sich der Verkäufer nach technischen Zeichnungen, Entwürfen, Formeln oder sonstigen Angaben des Käufers gerichtet hat. Dies führt ebenfalls zur Haftungsbefreiung des Verkäufers.

d. Mängelrüge

Nach Artikel 43 muss der Käufer bei einem Rechtsmangel oder bei einer Beeinträchtigung durch gewerbliche Schutz- oder Urheberrechte innerhalb angemessener Frist seit Kenntnis Rüge erheben, ansonsten er seine Gewährleistungsansprüche verliert (Art.43 Abs. 1). Auch hierfür ist eine Substantiierung der Mängelrüge erforderlich, indem der Käufer genau bezeichnen muss, welcher Art das Recht oder der Anspruch des Dritten ist.

Artikel 43 Absatz 2 entspricht Artikel 40 und lässt die Gewährleistungsansprüche des Käufers bestehen, wenn der Verkäufer das Recht oder den Anspruch des Dritten kannte. Entgegen dem Sachgewährleistungsrecht reicht das Kennenmüssen allerdings nicht aus.

232.33 Gemeinsame Bestimmung für Sach- und Rechtsgewährleistung

Artikel 44 des Übereinkommens bringt einen erheblichen Einbruch in das Gewährleistungsrecht: Der Käufer kann auch noch nach Ablauf der Zweijahresfrist seine Ansprüche geltend machen, sofern er für das Unterlassen der Anzeige eine vernünftige Entschuldigung hat. Diese Bestimmung geht auf einen zäh ausgehandelten Kompromiss zwischen den industrialisierten und den Entwicklungsländern zurück. Die Ansprüche, die der Käufer nachträglich noch geltend machen kann, beschränken sich allerdings auf Minderung und Schadenersatz, ausser für entgangenen Gewinn. (S. 796)

232.34 Wegbedingung der Haftung des Verkäufers

Das Wiener Übereinkommen enthält keine den Artikeln 192 Absatz 2 und 199 OR entsprechende Bestimmung. Nach Artikel 6 können indessen die Parteien die Haftung des Verkäufers ganz oder teilweise wegbedingen. Ob bei arglistigem Verschweigen eine Vereinbarung über die Aufhebung oder Beschränkung der Gewährspflicht ungültig ist, wird der angerufene Richter nach dem durch sein Kollisionsrecht bezeichneten Recht zu entscheiden haben.

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