Botschaft betreffend das Wiener Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf

Fortsetzung 3

12 Entstehungsgeschichte des Wiener Kaufrechtsübereinkommens

Während Jahrzehnten hat man in Wirtschaftskreisen von einer universell geltenden "lex mercatoria" geträumt. Konkrete Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Kaufrechts setzten indessen erst zu Beginn der dreissiger Jahre ein. Will man die wichtigsten Bestrebungen auf diesem Gebiet erwähnen, so sind zum einen die Arbeiten des Internationalen (Römer) Institutes für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) und zum anderen die Haager Einheitlichen Kaufgesetze zu nennen. Angesichts der wegweisenden Bedeutung dieser Arbeiten für das vorliegende UNCITRAL-Übereinkommen rechtfertigt sich eine kurze Darstellung ihres Werdegangs.

121 UNIDROIT

Nachdem es nach langen Vorarbeiten gelungen war, unter der Ägide des Völkerbundes eine materiellrechtliche Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Wechsel- und Checkrechts zu erarbeiten - die Vereinheitlichung gipfelte in den Genfer Abkommen von 1930 und 1931 - wagte sich der Völkerbund an die Vereinheitlichung des Kaufrechts heran. Die Vorbereitungsarbeiten wurden dem Römer Institut UNIDROIT übertragen. Führend war dabei der bedeutende deutsche Jurist Ernst Rabel. Sein grosses rechtsvergleichendes Werk über das Recht des Warenkaufs, das er zusammen mit seinen Mitarbeitern am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin erstellt hatte, diente als wissenschaftliche Grundlage. An den Beratungen innerhalb des UNIDROIT waren namhafte Juristen aus England, Frankreich, Italien, Deutschland, den skandinavischen Ländern und der Schweiz beteiligt. Im Jahre 1935 konnte der Direktionsrat des Instituts den Entwurf eines Einheitsgesetzes über den internationalen Warenkauf genehmigen und ihn dem Völkerbund vorstellen. Ernst Rabel selbst bezeichnete diesen Entwurf als "Markstein in der Entwicklung des Privatrechts und des internationalen Rechts", nicht so sehr um der getroffenen Einzellösungen willen als vielmehr wegen der Tatsache, dass erstmals eine tiefgreifende rechtsvergleichende Auseinandersetzung hatte angestrebt und durchgeführt werden können. Der Entwurf von 1935 wurde vom Völkerbund den einzelnen Regierungen zur Stellungnahme übersandt und aufgrund ihrer Anregungen überarbeitet ("Römischer Entwurf" von 1939). Als UNIDROIT nach der kriegsbedingten Unterbrechung die Arbeiten Ende der vierziger Jahre wieder aufnahm, standen die Bemühungen um die Vereinheitlichung des Kaufrechts immer noch an erster Stelle. Die Arbeiten der Kaufrechtskommission des Instituts im Jahre 1950 ergaben, dass trotz der in der Zwischenzeit neu verabschiedeten nationalen Gesetze keine grundlegenden Änderungen am "Römischen Entwurf" vorgenomen werden mussten.

122 Das Haager Einheitliche Kaufrecht

An der 1951 von der niederländischen Regierung einberufenen diplomatischen Konferenz bildete der zweite UNIDROIT-Entwurf von 1939 die Grundlage für die Beratungen zu einem Einheitlichen Kaufgesetz. An dieser Konferenz nahmen 21 Staaten - alle aus Europa - teil, die den "Römischen Entwurf" in seinen Grundzügen annahmen. Es galt lediglich, den nach dem Krieg aufgekomenenen neuen Handelsbräuchen angemessen Rechnung zu tragen. Im Jahre 1956 präsentierte eine von der diplomatischen Konferenz eingesetzte Arbeitsgruppe eine bereinigte Fassung. Die Stellungnahmen, die die einzelnen Staaten einbrachten, führten zu einer weiteren Überarbeitung, die 1963 in einem Entwurf samt Begleitbericht ihren Abschluss fand.

Im Zuge ihrer Beratungen von 1956 beschlossen die 21 Staaten, auch die Arbeiten des UNIDROIT über die Vereinheitlichung des Rechts des Abschlusses von Kaufverträgen weiter zu verfolgen. Diese Arbeiten hatten 1936 ebenfalls in einem - allerdings wenig aussichtsreichen - Entwurf ihren vorläufigen Abschluss gefunden. Es war daher Aufgabe des UNIDROIT, die Probleme des Vertragsabschlusses nochmals in Angriff zu nehmen. Obwohl man sich auf den Vertragsabschluss bei internationalen Warenkäufen beschränkte, sollten diese Bestimmungen gesondert bleiben und eine Ergänzung zum Einheitlichen Kaufgesetz bilden. Ein entsprechender UNIDROIT-Entwurf konnte 1958 nebst einem erläuternden Bericht vorgelegt werden.

Im Frühjahr 1964 lud die niederländische Regierung erneut zu einer diplomatischen Konferenz ein, an welcher 28 Staaten teilnahmen. Als Ergebnis wurden am 25. April 1964 die beiden Einheitlichen Gesetze verabschiedet: das Einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) und das Einheitliche Gesetz über den Abschluss von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen (EAG).

Die Erwartungen, die in das Haager Einheitliche Kaufrecht gesetzt worden waren, blieben jedoch unerfüllt. Der Kreis der Vertragsstaaten war und blieb klein: Nur neun Staaten (Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Gambia, Grossbritannien, Israel, Italien, Luxemburg, Niederlande und San Marino) ratifizierten die beiden Übereinkommen. Die Gründe für das Scheitern der Haager Einheitlichen Gesetze als Weltkaufrecht sind zahlreich, immer wieder genannt wird der kleine, auf Europa beschränkte Teilnehmerkreis und - damit verbunden - die ablehnende Beurteilung der Gesetze durch die Entwicklungs- und Staatshandelsländer.

123 UNCITRAL

Die Hoffnung auf ein weltweit geltendes Kaufrecht war mit dem Misserfolg der Haager Einheitlichen Kaufgesetze nicht begraben. Die UNO-Generalversammlung hatte im Jahre 1967 eine Kommission für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL) eingesetzt, die die Vereinheitlichung des Kaufrechts - nunmehr unter repräsentativer Beteiligung von Vertretern aus allen Teilen der Welt - erneut in Angriff nahm.

Die Arbeiten der UNCITRAL konnten einerseits auf das Werk Ernst Rabels und des UNIDROIT und andererseits auf das Haager Einheitliche Kaufrecht zurückgreifen. Zugleich wurden vermehrt auch die im US-amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC) und die in den verschiedenen einheitlichen Bedingungen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW/COMECON) enthaltenen kaufrechtlichen Grundsätze in die Beratungen einbezogen. Gestützt auf diese Vorbilder legte die UNCITRAL-Arbeitsgruppe im Januar 1976 einen ersten Entwurf vor ("Genfer Entwurf"), welcher 1977 mit gewissen Änderungen an der 10. Jahresversammlung der UNCITRAL in Wien verabschiedet wurde ("Wiener Entwurf"). Der bereinigte, von der 11. Jahresversammlung in New York angenommene Entwurf ("New Yorker Entwurf"), wurde den Staaten zur Stellungnahme unterbreitet. Er bildete die Grundlage für die am 10.März 1980 nach Wien einberufene diplomatische Konferenz. An dieser nahmen über 60 Staaten teil: Ägypten, Argentinien, Australien, Belgien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Burma, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik, Ecuador, Finnland, Frankreich, Ghana, Griechenland, Grossbritannien, Indien, Irak, Iran, Irland, Israel, Japan, Jugoslawien, Kanada, Kenia, Kolumbien, Republik Korea, Libyen, Luxemburg, Mexiko, Niederlande, Nigeria, Norwegen, Österreich, Pakistan, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Singapur, Spanien, Thailand, Tschechoslowakei, Tunesien, Türkei, Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, UdSSR, Ungarn, Uruguay, USA, Weissrussische Sozialistische Sowjetrepublik, Zaire, Zypern, Venezuela sowie die folgenden zwischenstaatlichen Organisationen waren als Beobachter vertreten: Weltbank, Zentralamt für das internationale Eisenbahnwesen, Europarat, EG, Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, UNIDROIT, Bank für internationalen Zahlungsausgleich, Internationale Handelskammer.

An der Schlussabstimmung sprachen sich 42 Staaten für das Übereinkommen aus, zehn enthielten sich der Stimme. Die Schlussakte mit dem Übereinkommen über den internationalen Warenkauf ist am 11. April 1980 unterzeichnet worden.

Das Übereinkommen wurde in arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefasst und unterzeichnet. Eine deutsche Übersetzung ist im Januar 1982 von der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, Österreich und der Schweiz an einer gemeinsamen Übersetzungskonferenz erstellt worden.

Fortsetzung

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